Das Dichten

Die deutschsprachige Lyrik übt sich seit 1945 in strenger Askese.
Sie verzichtet nicht nur auf den Endreim, darüber hinaus entsagt sie dem Rhythmus, jeglichem Versmaß und hat schließlich auch Großbuchstaben und Satzzeichen im Wesentlichen eliminiert.

Na dann, frisch ans Werk:


seerosenblätterdeklinationen

trübe rahmige spinatbrühe / bodensicht
ung ist / grün ist grün / ist
bodenseh sicht wie / blattspinat
grün
ist trübe brühe / in
seenot ist / brühe in sehnot
see not
rose blühe
rosenbrühe
wie spinat
isst p o
p e
y e
seerosenblatt?


Wie unschwer zu erkennen, ist mein obiges lyrisches Machwerk den Anforderungen an ein hochkarätiges zeitgenössisches Gedicht spielend gewachsen.

Dennoch habe ich mich aus wirtschaftlichen Erwägungen entschlossen, wenngleich mir dies den Vorwurf künstlerischer Rückwärtsgewandtheit einbringen dürfte, meine Mitmenschen ausschließlich mit poetischer Kost in Reimform und Versmaß zu beglücken.

Da zudem auch nur der geringste Hauch von Betroffenheitslyrik halbwegs erquicklichen Verkaufszahlen massiv im Wege stehen könnte, habe ich mich inhaltlich der Satire, der Groteske, dem Nonsens – kurzum dem komischen Gedicht – verschrieben.